Warum die Ems nicht einfach mal ein bisschen weiter als beim Dienstagstraining paddeln? Plan entschlossen beschlossen und auch mangelnde Wanderfahrerfahrung mit das-wird-schon-gut-gehen aufzuwiegen.
Ein paar Seiten aus dem 20 Jahre alten DKV Gewässerführer und einer Karte kopiert, Wanderboot, Paddel, Trockensäcke und Bootswagen (“Brauch ich den wirklich?”) ausgeliehen.
Die Frage in der runden Klammer klärt sich dann gleich auf dem Weg vom Bootshaus zum Steg. Unendlich dankbar werde ich für den Bootswagen anschließend bei der Doppelumtrage in der Doppelstadt.
Dem DKV Führer merkt man auf den folgenden Kilometern sein Alter an. Wo früher sich hinter Rheda noch am schnurrgeraden Bachbett Wehr an Wehr reihte, hat man inzwischen dem Fluss wieder beim Mäandern geholfen und die Wehre durch Steinschüttungen ersetzt. Freie Fahrt! Für Fische und Kanufahrer.

In den Steinschüttungen merke ich das Verwöhnt sein vom Cagdeck fahren. Das gewohnt nur schnelle Überwerfen der Paddelklamotten rächt sich und ich bin gleich mal nass. Das das trocknen auf Wanderfahrt nicht sonderlich gut funktioniert, habe ich, spätestens nach ner Woche, auch verstanden: Die Klamotten sind immer noch feucht!

In Warendorf am zweiten Tag beim Trinkwasser auffüllen bleibt mein Blick auf der Radaufhängung des aufs Boot gebundenen Bootswagens hängen. Wo zum Teufel ist der Splint des linken Rads? Ich fluche eine ganze Weile in bester Seemannsmanier vor mich hin. Gerade hab ich das Ding zu schätzen gelernt und schon darf ich das Boot (natürlich samt Bootswagen!) jedes Mal auf der Schulter tragen.

Ist im Oktober definitiv eine Tour für Langschläfer: Sonnenaufgang um sieben, Sonnenuntergang um kurz nach fünf.

Der Herbst macht seinen Job. Alles schön Bunt!

Die Tage vergehen und die Ems wird immer breiter. Mein Popo aber auch.

Jeden Tag so um die 30 km. Und an was man alles vorbeipaddelt! Zugvögeln die in den Süden ziehen, Fischen die an Angeln zappeln, Kähnen die auf Häfen zusteuern, und und und…

Gerade die Altarme der Ems sind wunderschön und bieten jede Menge tolle “freie” Zeltplätze.

Das Wehr Herbrum läutet irgendwann den letzten Teil der Reise ein. Ab hier freie Fahrt bis Australien. Aber auch: Gezeiten!

Ein paar einheimische Paddler haben mich vor den Tidenströmungen gewarnt. Sie sind erst beruhigt als ich sage, dass ich Plastikboot fahre und auch schon mal Wildwasserfahren war.
Ich kann aber die versprochenen mannsgroßen, faltbootfressenden Strudel anschließend nicht finden. Auch nicht bei genauerem Hinsehen.

Am letzten Tag sitze ich bis Mittag bei Nebel vorm Deich, warte ab bis der Fluss wieder in die richtige Richtung fließt und ich bis in den Hafen von Emden mitschwimmen kann.

In Emden werde ich von einer erfahrenen Wanderpaddlerin willkommen geheißen und zuerst einmal für den aufs Deck gebundenen Helm ausgelacht. Im Gespräch wird mir klar: Was für den Bodybuilder der Bizepsumfang ist, ist für den ambitionierten Wanderfahrer wohl das Fahrtenbuch und die zurückgelegten km im Jahr. Ich habe das Gefühl meine auf Nachfrage angegebenen 300 verwirren mein Gegenüber eher als es zu beeindrucken.
Danke übrigens an Sascha, Jürgen & David. Eure Leihgaben habens um einiges komfortabler gemacht!